Mit dem Zug durch Indien
Wer durch Indien reist, kommt unweigerlich mit der Frage in Berührung, ob der Zug das ideale Fortbewegungsmittel darstellt. Denn die Geschichten vom Reisen auf Schienen durch den Subkontinent sind mindestens so zahlreich wie sagenumwoben. Die «Indian Railways» bezeichnen sich selbstgefällig gerne als «lifeline of a nation». Ganz ohne Vorwissen kann dich das indische Eisenbahnsystem jedoch ganz schön überfordern. Dieser Beitrag hilft dir, durch die Wirren der indischen Lebensader auf Schienen zu navigieren, damit du sicher zum Ziel kommst.
Während wir unser würziges Chicken-Biryani aus dem Pappkarton geniessen, zieht vor dem Fenster die Palmenlandschaft der Malabarküste vorbei. Wir befinden uns gerade an Bord des Kochuvelli Express von Bangalore nach Alappuzha. Dank dem freundlichen Gefährten im Abteil haben wir am gerade passierten Bahnhof unser Essen durch das Fenster des Zuges gereicht bekommen. Der Mann, ein Matrose aus Cochin, wie wir später im Gespräch erfahren, hat Patric nämlich mit einem Lächeln das Handy aus der Hand genommen. Er merkte, dass dieser beim Hindi-Geschrei am anderen Ende der Leitung bloss Bahnhof versteht. Dabei wollte sich der unbekannte Anrufer bloss vergewissern, ob er unsere online aufgegebene Bestellung für das Abendessen im Zug auch tatsächlich im Wagen Nummer sieben abliefern soll. Diese kleine Episode ist nur eine von zahlreichen Geschichten, die uns auf den Gleisen Indiens widerfahren ist. Dabei haben wir auch festgestellt, dass individuelles Reisen mit der Bahn so ganz ohne Vorwissen relativ anstrengend und verwirrend sein kann. Damit deine Vorzeichen besser stehen, haben wir die wichtigsten Informationen rund um Bahnreisen in Indien für dich zusammengetragen.
Verschaffe dir eine Übersicht über die Möglichkeiten
Pro Tag rattern über 13000 Passagierzüge auf den gut 70000 Kilometern des indischen Eisenbahnnetzes. Dabei passieren sie zwischen Kanyakumari im Süden, Jammu im Norden, Tinsukia im Westen und Dwarka im Osten exakt 7325 Bahnhöfe. In einem der dichtesten Eisenbahnnetze der Welt ist es selbst für uns zugerprobte Schweizer nicht ganz einfach, sich zurechtzufinden. Zum Glück hilft dir mittlerweile eine übersichtliche Website dabei, dich mit dem Fahrplan zwischen den verschiedenen Stationen vertraut zu machen. Über die Website der «Indian Railways Catering and Ticketing Company» (IRCTC) können Verbindungen zwischen Ortschaften unkompliziert nachgeschaut werden. Wenn du via Google auf der Website der «Indian Railways» landest, bist du erst einmal falsch. Das indische Bahnsystem ist nämlich in zwei unterschiedliche Organisationen unterteilt. Während sich die Indian Railway ausschliesslich für Infrastruktur verantwortlich zeigt, ist die IRCTC für die Abwicklung des Passagierverkehrs zuständig.
Zurück zu den Reisemöglichkeiten. Meist gibt es verschiedene Verbindungen zwischen den gewünschten Destinationen. Der Name des Zuges sowie die Reisezeit geben in der Regel Aufschluss über den Reisekomfort. Sämtliche Zugarten zu beschreiben würde ein eigenes Buch erfordern. Am besten du orientierst dich an der Fahrzeit sowie den buchbaren Klassen. Als Faustregel gilt, dass tagsüber die Shatabdi Express Züge als komfortabelste Lösung gelten. Auf die unterschiedlichen Zugklassen in Indiens Zügen kommen wir in einem nächsten Abschnitt gesondert zu sprechen.
Vermeide den Kampf ums letzte Ticket
Ausser in den untersten Zugklassen sind sämtliche Tickets personalisiert und verfügen über eine klar zugeordnete Sitz- oder Bettnummer. Dies führt dazu, dass gerade auf beliebten Strecken die Fahrkarten oft bereits Tage vor Abfahrt ausgebucht sind. Wenn du also sichergehen willst, dass du den gewünschten Zug auch kriegst, solltest du dich möglichst frühzeitig um deine Tickets kümmern. Dies schränkt zwar die Spontanität auf der Reise etwas ein, hilft dir aber zu vermeiden, dass du lange Distanzen plötzlich im Bus zurücklegen musst. Leider ist der Weg zum Ticket das Komplizierteste an einer Zugreise in Indien. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten um an die Tickets zu kommen.
Willst du deine Tickets selbst kaufen, musst du dir einen Account bei der IRCTC zulegen. Dies funktioniert nur dann reibungslos, wenn du sowohl über eine indische Telefonnummer als auch über eine indische Kreditkarte verfügst. Naturgemäss ist bei einer frühzeitigen Reiseplanung in der Regel beides nicht vorhanden. Bei mehrmaligem Probieren klappt es jedoch, dass der Freischaltcode für das Konto auch an eine ausländische Telefonnummer geschickt wird. Und wenn bei den unzähligen Bezahlmöglichkeiten der «Multiple Payment Service» von «Pay U» gewählt wird, dann gehen auch Zahlungen mit Schweizer Kreditkarten durch. Plane auf jeden Fall genügend Zeit und Nerven ein, wenn du dir einen Account zulegen willst. Das Gute am Ganzen: Wenn du über einen Account verfügst, kannst du deine Buchungen in einem sehr übersichtlichen Dashboard verwalten.
Die zweite Möglichkeit an Tickets zu kommen besteht darin, einen Online-Drittanbieter wie 12go.asia zu nutzen. Diese buchen die Zugtickets für einen kleinen Aufpreis und kümmern sich entsprechend um die Abwicklung. Der Vorteil der Zeit- und Nervenersparnis liegt auf der Hand. Beachte aber, dass die Online-Anbieter meist nur über beschränkte Kontingente verfügen und in der Regel bloss touristische Strecken anbieten. Auch Umbuchungen oder Umtausch sind auf diesem Weg kaum möglich.
Die dritte und bequemste Möglichkeit ist die Buchung der Tickets über ein Reisebüro. Viele kleine Büros in Indien bieten das Buchen von Zugtickets an. Alternativ kannst du natürlich auch über einen Schweizer Anbieter wie Globetrotter buchen. Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, Tickets an grösseren Bahnhöfen zu kaufen. Aus den oben genannten Gründen punkto kurzfristiger Verfügbarkeit raten wir dir davon jedoch ab.
Entwirre den Dschungel der Fahrklassen
Wenn du Tickets für einen Zug in Indien buchst, musst du natürlich auch die gewünschte Klasse wählen. Grundsätzlich unterscheiden sich die Zugwaggons in Schlafwagen und normale Waggons mit Sitzen. Es ist nicht unüblich, dass auch Züge, die tagsüber verkehren, ausschliesslich über Schlafwaggons verfügen. Die Betten werden dann entsprechend hochgeklappt und zu Sitzgelegenheiten umfunktioniert.
Schlafwagen unterscheiden sich in First Class, AC 2-Tier, AC 3-Tier und Sleeper Class. In der First-Class teilen sich zwei bis vier Passagiere ein Abteil, welches sich mit einer Tür verschliessen lässt. 2-Tier besteht aus offenen Abteilen, welche über je zwei obere und untere Betten verfügen. Die Abteile können mittels Vorhanges abgetrennt werden. 3-Tier folgt dem gleichen Prinzip, bloss dass hier die Betten dreistöckig sind, sprich sechs Personen pro Abteil liegen. Alle bisher genannten Klassen verfügen über Klimaanlagen. Dies ist für die Sleeper Class nicht der Fall. Letztere ist auf die indische Mittel- und Unterschicht ausgerichtet und verfügt über dreistöckige, offene Liegeflächen und bloss theoretisch reservierte Plätze. Trotzdem oder gerade deswegen sind Wagen der Sleeper Class am häufigsten anzutreffen. Wir haben bei Zugreisen über Nacht mit der AC 2-Tier Klasse sehr gute Erfahrungen gemacht.
Bei Reisen, die tagsüber stattfinden, kannst du in der Regel zwischen First- oder Executive-Class, Chair Car oder Second Seating auswählen. Letztere besteht aus nicht reservierten Plätzen, ist meist heillos überfüllt und ist aus unserer Sicht für den durchschnittlichen Reisenden nicht zu empfehlen. Die Chair Cars entsprechen ungefähr den Zweitklassewagen wie wir sie aus der heimischen SBB kennen. Je nach Art des Zuges ist der Komfort etwas unterschiedlicher. Wenn du etwas gehobener und exklusiver Reisen möchtest, buchst du First- oder Executive-Class, was der indischen Business-Klasse gleichkommt.
Behalte den Überblick am Bahnhof
Da die Abfahrtszeiten von Zügen in Indien relativ oft ändern, ist es wichtig, dass du sowohl Name als auch Nummer deines Zuges kennst. Anzeigetafeln funktionieren nämlich nicht wie bei uns nach Destinationen, sondern nach Namen und Nummern der Züge. Kleinere Bahnhöfe verfügen oft über keine digitalen Abfahrtstafeln, sodass du für das Finden des richtigen Gleises auf Lautsprecherdurchsagen angewiesen bist. Im Notfall kannst du jeweils auch den Stationswart fragen.
Auf dem Bahnstieg selbst musst du darauf achten, dass du deine Wagennummer kennst und am richtigen Ort wartest. Dies erspart dir einen atemraubenden Wettsprint mit dem einfahrenden Zug, der gerade in Indien sehr lang sein kann. Die Wagennummern sind leider nicht immer zwingend in logischer Reihenfolge angehängt und bestehen meist aus einer Zahl sowie einem Buchstaben. Auch dies variiert je nach Zug. Meist zeigen kleine Schilder, entweder direkt auf dem Boden des Bahnsteigs oder an Pfosten in regelmässigen Abständen, welcher Wagen wo zu stehen kommt. Einige wenige Bahnhöfe verfügen gar über digitale Anzeigen.
Es gibt mittlerweile zahlreiche Apps, die helfen, das Zugreisen zu vereinfachen. Meist zeigen diese Verspätungen und Infos über Bahnsteig und Zugkomposition. Um deinen Zug zu finden, benötigst du jeweils die PNR-Nummer, die für jedes Ticket individuell ist. Am besten benutzt du dazu die offizielle Suche auf der IRCTC-Website, da die Apps nicht alle verlässlich aktualisieren.
Ein paar Extratipps für dich
Falls du dir eine Zugreise durch Indien überlegst, geben wir dir gerne noch ein paar Extratipps mit. Wir haben mit Schlafwagen sehr gute Erfahrungen gemacht. Diese sind sauber, komfortabel und bilden eine angenehme Art des Reisens. Decken, Kissen und frische Laken werden jeweils bei Sonnenuntergang verteilt. Achte bei der Buchung wenn möglich darauf, dass du eines der oberen Betten buchst. Diese verhelfen zu etwas mehr Privatsphäre als die unteren Betten. Wir können 2-Tier punkto Gesellschaft und Preis-Leitung wärmstens empfehlen.
Um Verpflegung brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Auch nicht, wenn du knapp dran bist und am Bahnhof keine Samosa mehr erwischst. In den Zügen verkehren zahlreiche fliegende Händler, die Kaffee und Tee sowie süsse und salzige Köstlichkeiten feilbieten. Für gut Vorbereitete besteht sogar die Möglichkeit, Essen online vorzubestellen, welches dann direkt in den Wagen geliefert wird.
Reisen heisst immer auch, Land und Leute kennenzulernen. Daher schadet es nie, sich einer Konversation mit dem Sitz- oder Abteilnachbar zu öffnen. Der indische Zugreisende ist in der Regel freundlich, offen, interessiert und hilfsbereit. Zudem erfährst du so Dinge über das Land, die dir ansonsten mit Sicherheit verborgen bleiben.
Tipp 1: Nutze die Tourist Quota
Als Ausländer*in kannst du auf gewissen Strecken von einer Tourist Quota profitieren. Dies sind Plätze, die bis kurz vor Abfahrt extra für Touristen freigehalten werden.
Tipp 2: Kein Sitz in der First-Class, keine Panik!
Sitze oder Betten in der First-Class werden erst kurz vor der Abfahrt zugeteilt. Du findest die Zuteilung entweder online, am Bahnhof oder direkt im Wagen beim Erste-Klasse-Schaffner.
Tipp 3: Around India in 80 Trains
Wenn du dir eine Zugreise durch Indien überlegst, kannst du dich mit dem Buch «Around India in 80 trains» von Monisja Rajesh darauf einstimmen. Die junge Engländerin erzählt anschaulich, was sie auf ihrer Reise an die vier Endpunkte des indischen Eisenbahnnetzes alles erlebt.
Über den Autor und die Fotografin
Wir, Lena-Maria (28) und Patric (33), haben unseren Traum verwirklicht und reisen seit Juli 2022 für rund ein Jahr um die Welt. Dabei spüren wir Geschichten abseits der ausgetretenen Pfade auf und erzählen diese weiter – unter anderem gemeinsam mit Globetrotter. Wenn du möchtest, darfst du unser Abenteuer gerne via Instagram (@losnescos) hautnah mitverfolgen.
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